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Freitag, 6. April 2012

Karfreitag - Wie die kosmische Weisheit sich durch Christus Jesus in menschliche Liebe der Brüderlichkeit umwandelt



Wieso will man so oft bestimmte Menschen und Autoritäten vergöttern? Viele wollen ihre Autoritäten so verehren, dass sie die Grenzen von ihnen nie sehen wollen. Aber was bedeutet dies ? Genau das - diese Vergötterung ist nichts anderes als eine Quelle des Asozialen.

Jeder Mensch hat seine einzigartige Fähigkeit und gerade deshalb auch Grenzen. In Klarheit die eigene einzigartige Fähigkeit zu erkennen bedeutet, auch die Grenzen zu erkennen. Auch wenn es so widersprüchlich klingt - ohne die Grenzen zu erkennen, kann man seine wirklichen Fähigkeiten nie richtig wertschätzen. Aber wer dies erreicht, gewinnt durch die Individualisierung auch eine echte soziale Gesinnung. Die Vergötterung einer Autorität macht die Menschen unsozial, denn die Vergötterung lässt nicht die Grenzen zu. Die Grenzen einer Person nicht zuzugeben heisst, den anderen Menschen die Gelegenheiten zu rauben, in der sie in ihrer andersartigen Einzigartigkeit ergänzend mitwirken können.

Ich erlebe immer wieder ein unbeschreibliches Glücksgefühl gerade darin, dass jeder Mensch seine absolut einzigartige Fähigkeit besitzt, die auch mit Grenzen verbunden ist.

Aber das heisst: In jedem Menschen ist ein Kosmos, in jedem will der Gott seinen Teilaspekt offenbaren. Es ist zwar ein Teilaspekt - aber das ist von "Gott". In jedem Menschen ist dieser (zunächst) in sich abgeschlossene göttliche Kosmos vorhanden. Die Individualisierung ist nichts anderes als das Erproben des Gottes in seinem Teilaspekt durch die Menschen. In jedem Mikrokosmos will sich der Gott einen ganz bestimmten Aspekt von ihm selber zum Ausdruck bringen. Wenn ich in dieser Imagination intensiv lebe, dann beginnt eine pulsierende Lichtquelle in meinem Herz in einer Intensität jubelnd zu explodieren. Es ist eine ähnliche innere Erfahrung, die in mir durch die Wirkung der "Philosophie der Freiheit" ausgelöst wird.

Der Christus hat am Gründonnerstag vor den Jüngern gekniet und ihre Füsse gewaschen - dann das letzte Abendmahl, die Festnahme und die Kreuzigung. In diesen Vorgängen verzichtet er immer mehr auf seine kosmische Allmacht. Er verliert - äusserlich gesehen - immer mehr seine göttlich-kosmische Dimension, durch die er zuvor die Wunder und die Zeichen bewirkte und die Menschen heilte. Dieser Vorgang des Verlustes gipfelt am Kreuz. Am Kreuz sieht er - äusserlich gesehen - so schwach wie noch nie zuvor aus und als ob er wegen der Schwäche bloss den irdischen Feinden ausgeliefert sei. Er zeigt keine Zeichen, er bewirkt keine Wunder, er hängt wehrlos am Kreuz.

Das ist das Geheimnis seines göttlich-menschlichen Werkes: die kosmische Weisheit wird im äusseren Machtverlust - im vollständigen äusseren Machtverzicht - in eine neue Dimension der menschlichen Liebe auf der Erde umgewandelt. Er bewirkte in seinem äusseren Machtverzicht - es war nicht ein bloss oberflächlicher Machtverzicht, es wurde von ihm wirklich als ein vom Menschen unvorstellbar intensiver schmerzlicher Machtverlust durchlebt- ein göttlich-menschliches Mysterium der Wandlung der kosmischen Weisheit zur neuen menschlichen Liebe. Der Gottessohn wird zum Menschensohn. Die Weisheit bekommt die Möglichkeit sich im Menschen zur Liebe zu wandeln. Er musste alles verlieren, was er zuvor besass. Weil er die Menschheit nicht durch das volle Aufleuchten der kosmischen Weisheit definitiv erlösen konnte, deshalb musste er ein völlig neues Mysterium auf der Erde erschaffen, das die alten Mysterien ablösen kann: Das Mysterium der Wandlung der Weisheit zur Liebe. Dafür musste er alles verlieren, musste er äusserlich seine kosmische Vollmacht verlieren, damit er diese Kräfte, die zuvor für ihn zur Verfügung standen, restlos nach innen leiten konnte. Die Weisheitskräfte erfuhren eine Umkehrung nach innen. So erhob der Christus die unschuldige Liebe Jesus von Nazareth auf eine höhere Stufe. Er wandelte durch die Opferung der kosmischen Weisheitsmacht die unschuldige Liebe zu einer neuen Liebes-Macht für die Zukunft der Menschheit. Die Liebe wird zu einer neuen unsterblichen Macht der Menschheit auf der Erde.

Im Mysterium des Christus erleben auch wir durch das Verlieren der Vollkommenheit und der äusseren Macht die Geburt einer neuen inneren Macht der Liebe. Der Christus zeigte durch die Fusswaschung seine "Grenzen", dass auch er auf die Jünger angewiesen ist. Er zeigte sich so als ein Freund von ihnen. Der Christus nahm immer die Menschen herzlich auf, die im Sinne der alten Weisheit deutlich mit Grenzen behaftet waren und für die anderen "sündig" galten, die aber zu ihm kamen und sich ihre Grenzen bewusst machten. Vor ihnen hatte der Christus immer am klarsten Freude und Liebe gezeigt. Dagegen hat er sich vor den Geistlichen, welche die irdische Macht und den eigenen Ruhm suchten, hart gezeigt. Sie waren nicht nur "sündig"(schuldig) , sondern "böse". Schuldig-Sein ist nicht schlimm, denn schuldig sind wir alle. Aber böse wird man dadurch, dass man nicht anerkennen will, dass man schuldig ist und versucht, mit allen Mitteln einen Anschein zu erzeugen, als ob man ein Mensch ohne Schuld wäre, was aber nie sein kann.

Gerade diese Botschaft der Evangelien ist für viele Buddhisten ein ihnen so bekanntes zentrales Motiv des Buddhismus - die innere Wandlung durch die Selbsterkenntnis. Diese innere Wandlung wird durch den Christus zu einer Angelegenheit, in der statt einer alten äusseren und irdischen Macht eine neue unsterbliche Macht im Menschen erweckt wird. Wir sind durch unser individuelles Begrenztsein ein einzigartiger Mikrokosmos, der nie noch einmal als Derselbe da sein kann. Durch dieses Begrenztsein sind wir auf die anderen einzigartigen Mikro-Universen angewiesen. Auch der Christus selber ist auf diese unzähligen Mikro-Universen angewiesen, die gemeinsam als Ein Menschheits-Ich sich zusammenschliessen. Dafür - für die Entstehung dieser brüderlichen Liebe - opfert er freiwillig seine Allmacht in seinem Mysterium.


Junko Althaus
























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