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Dienstag, 1. März 2011

Karma der Anthroposophie damals und heute. Möglichkeiten einer Heilung




Edith Maryon. Sie war bereits eine anerkannte Künstlerin gewesen, bevor sie zur anthroposophischen Bewegung kam. Sie ist für mich eher eine rätselhafte Person, denn Steiner hatte eine ganz andere Beziehung zu ihr als zu Marie Steiner oder zu Ita Wegman. Wegman und M. Steiner sind so voneinander verschieden, aber die beiden Frauen wurden von Steiner im gewissen Sinne als gleichberechtigte Partnerinnen behandelt. Sie haben auch in ihren Gebieten eigenständig gehandelt. Aber Maryon?

Maryon ist eine Persönlichkeit in der anthroposophischen Bewegung, ohne die man den Impuls des ersten Goetheanums nicht realisieren konnte. Ihr Schicksal hat eng mit dem ersten Goetheanum und seinem Brand zu tun, so dass sie nach dem Brand sehr krank wurde und seitdem nie mehr richtig gesund werden konnte. Sie starb in Mai 1924. Sie hatte ein langes Krankenlager. Sie wurde medizinisch von Ita Wegman betreut.

Emanuel Zeylmans schrieb einmal: Edith Maryon musste eine grosse Persönlichkeit gewesen sein. Als ich es las, erinnerte es mich an meinen Eindruck vom Briefwechsel (GA 263/1) zwischen Steiner und Mayron. Vor einer langen Zeit las ich ihn und hatte ein ganz eigenartiges Gefühl, so dass seine Beziehung zu ihr für ihn selber nicht so einfach gewesen sein musste. Aber ich verfolgte es damals nicht weiter. Nur eine Frage blieb mir: Wieso thematisiert Steiner oft das Weltliche oder den Materialismus bei Maryon? Das verstand ich zuerst überhaupt nicht. Sie ist doch eine Schülerin von ihm und wieso muss er mit ihr über die Probleme des Materialismus so oft sprechen? Was bedeutet das? Das muss auch mit der Person Edith Mayrton irgendwie zu tun haben.

Bevor ich die Ansprache von Steiner über sie zitiere, möchte ich zuerst einige Gesichtspunkte in Bezug auf die schicksalhafte Lage damaliger Anthroposophen und Steiners aufzeigen.




In die anthroposophische Bewegung kamen schliesslich die Menschen aus den unterschiedlichsten karmischen Strömungen zusammen. Die Schicksalsfäden sind sehr kompliziert und vielschichtig. Einen Grund dazu habe ich im letzten Artikel im Zusammenhang mit dem Katholizismus geschrieben. Manche oder viele Anthroposophen zu Lebzeiten Steiners waren bedeutsame Individualitäten in ihren früheren Leben gewesen. Darauf hat Steiner selber in einem Karma-Vortrag hingewiesen. Solche geistig gesehen sehr bedeutende Persönlichkeiten kamen mit ihren speziellen Fähigkeiten und Ansichten in die anthroposophische Bewegung hinein. Steiner hatte eine Aufgabe im Sinne der geistigen Michaelschule, die unterschiedlichen Schicksalsströmungen, die ihren Ursprung in den unterschiedlichsten Mysterienströmungen hatten, zusammenzuführen, so dass sie von dem modernen Christusimpuls befruchtet werden konnte. Dafür nahm er unwahrscheinlich viel Zeit und Kraft. Bevor er diese Arbeit energisch gemacht hatte, durfte er seine eigentliche Aufgabe, das Thema Karma, nicht wirklich ergreifen. Das war sein Leid, das mit seinem Schicksal zusammenhing. Viel musste er für seinen Auftrag opfern.

Viele damalige Anthroposophen waren ausgesprochen fähige und begabte Menschen, so dass sie aus ihren früheren Leben wichtige und kostbare Früchte aus ihren Karma- und Mysterien-Strömungen mitbrachten. Aber niemand konnte damals ihre Mitgabe im modernen Sinne des Christusimpuls befruchten als Steiner. Es war ein Problem. Zahlreiche grosse Persönlichkeiten waren in der anthroposophischen Bewegung versammelt und wollten ihre Früchte für das kommende Zeitalter erneuern. Davon hing auch die Zukunft ihrer Mysterienströmungen und die Entwicklung der Menschheit bis zu einem gewissen Grad ab. Aber dabei war Steiner damals der Einzige, der die Art und Weise voll erkannte, wie ihre Früchte zur Wandlung gebracht werden konnten. Dadurch entstand eine unglaubliche Konzentration auf seine Person. Das verursachte eine enorme Verehrungshaltung bei den Anthroposophen. Sie waren aus dem Grund so auf ihn allein fixiert. Es musste für Steiner selber anstrengend gewesen sein, mit den grossen Persönlichkeiten zu tun zu haben, die bereits die eigene Richtung in ihren früheren Leben befestigt hatten. Sie brachten ihm etwas entgegen, mit dem Steiner fertig werden musste, um es im modernen Christusimpuls, der in ihm lebendig war, stets umzuwandeln. Die Arbeit hat natürlich nicht er allein getan, beteiligt war die Person selber daran, aber er allein musste es in eine richtige Richtung führen. Es war der Auftrag, den er geistig übernahm.

Ausserdem musste er dafür Sorge tragen, dass die Anthroposophen untereinander zurecht kamen. Weil die karmischen Fäden kompliziert waren, haben die Menschen oft gegenseitig nicht verstanden. Jeder meinte: Der andere muss mich verstehen. Ich bin nicht falsch. Der andre hat falsch gehandelt. Man warf den anderen seine Fehler vor und es hörte nicht auf. Man erwartete, dass der andere auf einen zukommt und die eigene These annimmt. Aber in so einer starken Erwartung kann kein fruchtbares und freies Gespräch stattfinden. Man will in einem Gespräch den anderen von den eigenen Ansichten überzeugen. Aber aus solchen Gesprächen, die die freien Ansichten und die willensmässige Bereitschaft des anderen ignorieren, geht kein wirkliches gemeinsames Verständnis hervor. Solche Situationen kann man nicht allein aus dem Intellekt und aus dem guten Willen heraus bewältigen.

Da gab es viele nicht einfache Schicksalsverbindungen unter den Anthroposophen. Sie musste Steiner ausgleichen. Dafür ist sehr viel von seiner Zeit verwendet worden. Er war dabei immer mehr überfordert, weil er fast ganz allein diese Arbeit übernehmen musste. Diese Situation kann man am klarsten in den Auseinandersetzungen vor der Weihnachtstagung in Stuttgart studieren. Die Menschen kamen in Stuttgart nicht zusammen und er begleitete sie ganz dicht, aber bereits war er schon sehr überfordert. Aber er konnte nicht einfach einige Menschen für sich auswählen und einige rausschmeissen. Es musste sein Auftrag gewesen sein, dass er die Menschen, die schicksalsmässig zu ihm kamen, aufnehmen musste, egal ob es für ihn einfach war oder nicht. Für die Anthroposophen bedeutete auch ihre Arbeit innerhalb der Anthroposophie eine intensive Opfertat, durch welche sie sich teilweise sehr stark überforderten. Sie mussten von Steiner ihre Früchte umwandeln lassen. Es war teilweise sehr schwer für sie. Ihr Leid ist wirklich etwas, was einem das Herz bricht.

Viele dachten in diesem Prozess der Umwandlung, dass sie versagt hätten. Diese Empfindungen leben heute noch in der anthroposophischen Bewegung. Ist es nicht etwas, was wir heute dringend durch eine gesunde Selbstliebe heilen sollten?

Die Gedanken und Empfindungen: Steiner allein hat recht, wir haben versagt und bedeuten nichts vor ihm. Wir haben nichts Rechtes tun können. Er ist gestorben, weil wir nicht gut genüg waren, wir waren zu träge.

Erzeugen solche Gedanken und Empfindungen nicht die Grundstimmung der Seele im Menschen, die z.B. Demütigung, Willensschwäche, Mangel der Eigenständigkeit und des Selbstvertrauens, Hoffnungslosigkeit stets in der Seele von neuem hervorruft? Solche Stimmung verhindert eine natürliche Entwicklung heute. Sie war damals im begrenzten Sinne berechtigt als eine natürliche Reaktion, weil nicht nur Steiner, sondern auch die Anthroposophen einen gewissen Auftrag von der geistigen Welt übernommen hatten, bevor sie auf die Erde kamen.

Ist aber solche Seelenstimmung heute noch gültig und nötig? Wenn ja, wozu ist sie noch gut? Sie verhindert das Wachsen des eigenständigen Christusimpulses im einzelnen Menschen. Viele, die damals die Entwicklung der Anthroposophie mitgemacht haben, müssen diese Wunde heute noch in ihrer Seele tragen, denn sie hatten keine Möglichkeit in ihrem Leben gehabt, sie genug zu verarbeiten. Sie kommen höchst wahrscheinlich mit dieser Wunde wieder auf die Erde. Und die anderen Menschen übernehmen von ihnen diese Stimmung.

Sollte nicht diese schwere Seelenstimmung geheilt und erhellt werden, damit die Seele wieder frei, frisch und lebendig atmen kann? Ich denke, die Wunde in ihrem Herzen wartet auf Heilung. Wir können uns selber erlösen dadurch, dass wir diese ewige Kreuzigung des Anthroposophen-Seins überwinden und damit aufhören, immer wieder wie Anfortas alte Schmerzen uns zuzufügen.

Sollen die Anthroposophen heute noch Tag und Nacht dem Michael gegenüber die strenge Pflicht als seine Mitstreiter empfinden, ohne einmal sich auszuruhen? Oder dürfen oder sollten sie heute die innige Liebe des Christus, die er den Menschen stets zuströmt, im Herzen aufnehmen und dadurch die Seele neu beleben und heilen?




Aus dem oben genannten Grund ging alles auseinander, gleich nachdem Steiner gestorben ist. Niemand konnte eben diese Rolle der "Sonne" übernehmen, die alle Strömungen mit dem gleichen Licht beleuchtete und sie in einer Einheit gliedern kann. Da waren die Menschen nach seinem Tod völlig überfordert.

Ich denke, es ist gut, dass wir heute unter uns keinen Rudolf Steiner mehr als einen lebenden Menschen mit Fleisch und Blut haben. Wir haben ihn in seinen Büchern und sonst auch in der Welt. Er ist physisch nicht mehr da. Egal wie lange wir auf ihn warten, kommt er nie mehr wieder als Rudolf Steiner. Auch wenn seine Individualität wieder kommt, wird sie die Arbeit anders als Steiner packen. Die Situation heute ist viel freilassender als damals. Und die Menschen haben in sich den Keim zum Christusimpuls viel stärker entwickelt. Das Bewusstsein des Ich hat sich weiter entwickelt. Und wir sollten heute alles, was wir haben, viel eigenständiger durch den Christusimpuls in uns umwandeln.


Im nächsten Artikel setze ich das Thema fort und gehe auf Edith Mayron ein.


Junko Althaus




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