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Freitag, 24. Juni 2011

Befreiung von der eigenen Gescheitheit



Ich hatte vor einigen Tagen eine Gelegenheit, eine künstlerische Darstellung des vierten Bildes aus dem ersten Mysteriendrama zu sehen. Christian hat mit einigen Menschen in Schaffhausen das vierte Bild eingeübt und aufgeführt. Er hat eine Einführung gegeben, in der das Geschehen verdeutlicht wurde. Mit Erstaunen konnte man feststellen, wie exakt und intensiv Steiner dort das Prinzip der modernen Einweihung darstellt - "Die Überwindung der Verblendung in der eigenen Seele".

Im Ruf "Oh Mensch, Erkenne Dich" erfährt Johannes, was es bedeutet, das eigene Ich zu dem fremden Ich zu machen. Er erlebt von Innen her, was eine andere Person durch seine Taten erfahren hat. Die Folgen seiner Taten erlebte er im Mondenspiegelungslicht der Sonne. Dabei erkannte er, wie geblendet er war. Wer den Vorgang, den Johannes durchmacht, genau studieren und sich praktisch damit auseinandersetzen will, kann eine wunderbare konkrete Hilfe z.B. in den Schriften Shinrans finden. Erst diese Art der Selbsterkenntnis, sich selber schonungslos zu betrachten - so wie Honen und Shinran im japanischen Mahayana-Buddhismus konsequent praktizierten - ermöglicht Johannes, auch die tieferen Dinge ausserhalb sich selber zu erkennen.





Shinran sagt, dass der Mensch normalerweise von Natur aus durch allerlei Neigungen, die er in seinem Herzen als trübes Licht trägt, innerlich geblendet ist. Er kann dadurch nicht mit den Augen des Buddha sehen. Im Sinne Steiners sind sie die Einflüsse Luzifers und Ahrimans. Oft werfen sich die Menschen in der Anthroposophie schnell gegenseitig vor, dass der andere luziferisch oder ahrimanisch sei. Das Urteil, das gebildet wird, ist sicherlich im gewissen Sinne richtig, dennoch stellt sich die Frage: Ist jemand frei von Luzifer und Ahriman? - Niemand.

Luzifer und Ahriman sind zuletzt die Wesen, die für die Entwicklung benötigt sind. Nur man muss in sich selber ihre Kräfte erkennen, wie sie konkret wirken, damit man mit ihnen bewusst umgehen kann. Dann sind sie nicht mehr so störend. Es hilft unserer Entwicklung nicht, immer draussen ausserhalb sich selber Luzifer und Ahriman zu suchen, um sie zu verurteilen und zu vermeiden. Durch das Verurteilen können sie nicht umgewandelt werden. Wer die ehrliche und wahrhaftige Selbsterkenntnis gewonnen hat, ohne Spur des Bessersein-Wollens als das wahre So-Sein, kann nach Shinran sein Herz reinigen und dadurch auf dem Weg des höheren Wissens fortschreiten. Dabei werden die Kräfte der Widersacher im Menschen umgewandelt.

Genauso geht es mit Johannes. Erst nachdem er seine eigene Begrenztheit erkannte, kann er ausserhalb sich selber die Wahrheit erfahren. Capesius und Strader, die in der Imagination Johannes erscheinen, sind Professor und Doktor, welche sich auf weltliche Art die Wissenschaftlichkeit und den Verstand angeeignet haben. Sie stehen in ihrem Leben als diejenigen da, die eine gewisse weltliche Anerkennung erlangten. Sie sind aber von ihrer eigenen Fähigkeit eingenommen und dadurch sperren sie sich selber den Weg zur wirklichen geistigen Erkenntnis. Jeder kann auf seine Weise intelligente Rede halten und einen guten Willen zeigen. Dennoch sind sie völlig in ihrer eigenen Gescheitheit gefangen. Und darauf reagiert der Geist der Elemente mahnend mit den drohenden Naturgewalten. Und die beide Männer sind ratlos.

Es ist ein wahres Bild für den modernen Menschen in der heutigen Zeit. Viele fühlen sich dazu verpflichtet, jeden anderen Menschen durch ihre richtige Erkenntnis zu korrigieren. Aber dabei vergessen sie, dass auch ihr Denken begrenzt ist. Nicht weil sie nicht gescheit sind, sondern, weil sie zu gescheit sind und zu sehr im eigenen irdischen Verstand gefangen sind. Die eigene Gescheitheit kann ihr Gefängnis sein. So wie Shinran sagt, wo man sein Selbst erkennt, so wie es wirklich ist, schliesst man sich an die höheren Kräfte an. Das geschieht niemals aus der Kraft des Verstandes.

Diese Art der Selbsterkenntnis, die ohne Verurteilung gewonnen wird, hat eine unbeschreibliche Heilkraft für die menschliche Seele. Es ist wie ein Heilbad, in dem die zu dicht und fest gewordene Hülle abgelegt wird, so dass das ungetrübte Licht wieder unbehindert der Seele zuströmen kann.

Die andere Maria, die vom Geist der Elemente zu Capesius und Strader geschickt wurde, spricht zu beiden, die verzweifelt den Weg suchen, von der Notwendigkeit, den eigenen Stolz des Verstandes überwinden zu müssen. Aber sie verstehen es nicht. Nur Johannes, der diesen Vorgang als Imagination betrachtet, kann daraus eine wahre Erkenntnis gewinnen.

Junko Althaus






















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