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Donnerstag, 8. März 2012

Der Anspruch auf Unfehlbarkeit für Autoritäten




Die Menschen in Europa treten viel individueller als z.B. viele Japaner auf . Und deshalb dachte ich zunächst: Sie sind weniger autoritätsgläubig als die Menschen in Japan. Ich stelle aber fest, dass die Menschen in Europa doch in gewisser Hinsicht viel autoritätsgläubiger als die Japaner sind. Der Autoritätsglaube, den ich hier speziell anspreche, ist, dass man gegenüber einer grossen Persönlichkeit - unausgesprochen - die eiserne "Unfehlbarkeit" voraussetzt.

Eine solche Unfehlbarkeit aber, die hier in Europa gewohnheitsmässig erwartet wird, ist keine praktische Wahrheit. Wenn man das Thema des Autoritätsglaubens allgemein genauer anschaut, findet man natürlich in anderer Hinsicht auch eine Tendenz, in der wiederum die Japaner unter gewissen Verhältnissen autoritätsgläubig sind. Aber was ganz konkret die "Unfehlbarkeit einer Autoritätsperson" betrifft, da ist die Sache klar. Sie wird hier in Europa oft wie eine Selbstverständlichkeit unbewusst und unausgesprochen vorausgesetzt.

Ich habe lange Zeit gebraucht, um zu verstehen, was eigentlich dieser Unfehlbarkeitsanspruch ist. In Japan würde man sagen, ein solcher Unfehlbarkeitsanspruch ist eine Unbescheidenheit, egal wie hoch die Position ist. So ein Anspruch kommt den Japanern instinktiv illusionär vor. Das kann sogar einer japanischen Seele moralisch problematisch vorkommen, wenn jemand sich offentsichtlich so verhält. Eine solche innere Gesinnung wäre eher der Beweis für eine seelische Unreife dieser Person. Die Japaner finden eher eine Autoritätsperson glaubwürdig, welche die seelische Reife hat - das heisst -: Ehrlich seine unvollkommenen Seiten vor den anderen Menschen zugeben zu können.

Hier in Europa ist es völlig anders. Die Autoritätsperson darf nie eine Schwäche zeigen oder zugeben. Das gibt es nicht. Sie muss sich einfach durchsetzen. Diese Neigung ist eher in der Schweiz weniger als in Deutschland. Neulich las ich sogar davon in einem Artikel einer schweizerischen Zeitung. Die Menschen in Deutschland haben viel stärker die Tendenz, den anderen Menschen nicht zuzuhören - ich habe sehr lange Zeit gebraucht, um zu verstehen, wieso es so ist -. Die Menschen hören aus dem Grund nicht richtig zu, denn das ruhige Zuhören der anderen Menschen bedeutet für viele bloss ein Zeichen der Schwäche.

Durch die intensive Durchsetzung der eigenen Person, die sich zum Teil automatisch abspielen kann, verlernt man eine natürliche soziale Empfindung der Seele. Man tötet durch eine einseitige Durchsetzungspraxis in den Kommunikationen und Begegnungen die gemeinschaftliche Empfindung - eine spirituelle Karma-Empfindung - gegenseitig ab und glaubt dabei daran, eine solche agressive Art des darwinistischen Durchsetzungskampfes sei der gute Beweis für ein individuelles Bewusstsein. Viele denken aus solchen Gewohnheiten, dass eine intellektuelle und agressive Machtdurchsetzung die beste Entwicklung des freien Individuums bedeutet. Das ist einseitig und krankmachend. Man braucht im 21. Jahrhundert ein grundsätzlich anderes Verständnis über das freie Ich.

Die Praxis einer darwinistischen Machtdurchsetzung ist allerdings nicht etwas, was an sich verneint werden soll. Sie kann natürlich fruchtbar sein, wenn sie richtig eingesetzt wird. Aber die einseitigen Gewohnheiten, die damit verbunden sind - z.B. das Verlernen des Zuhörens oder der Anspruch auf Unfehlbarkeit einer Autoritätsperson ist etwas, was die Menschen jedenfalls von den Wahrheiten wegführt.

Nach der Empfindung vieler Menschen im Bezug auf die "Unfehlbarkeit" in Europa müssten in der Welt lauter Persönlichkeiten da sein, die bereits mit der Entwicklung völlig fertig sind und nicht mehr sich entwickeln müssen, weil sie in allen unfehlbar und perfekt sind. Wer wirklich alles nach spirituellen Entwicklungsgesichtspunkten betrachtet, für den ist so etwas jedoch eine Unwahrheit.


Junko Althaus


















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Junko Althaus

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