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Montag, 23. April 2012

Aristoteles als Inspirator für die werdende anthroposophische Geisteswissenschaft Teil 1




Was mich in der anthroposophischen Szene äusserst stört, ist die Tendenz, die Anthroposophie als etwas Fertiges zu betrachten. Oft spricht man davon, dass die Kulmination der Anthroposophie die Weihnachtstagung 1923/24 gewesen wäre - obwohl Steiner selber etwas völlig Anderes nach der Weihnachtstagung sprach. Gerade nicht in der damaligen Inkarnation, sondern in unserer Zeit, in der viele ehemaligen Anthroposophen wieder in einer neuen Inkarnation sich befinden, soll die Kulmination der Anthroposophie stattfinden.

Man muss ja nicht an diese Aussage Steiners glauben nur aus dem Grund, weil es von ihm stammt. Aber diejenigen, die mit ihm im Geist tief und innig verbunden sind, können in sich selber unweigerlich erkennen, dass mit dieser Aussage von ihm eine existenzielle Aufgabe für sie selber und für die Zivilisation angesprochen ist, um im 21. Jahrhundert für Michael und Christus auf der Erde die Weiterführung des Geistimpulses zu erkämpfen, denn die gegenwärtige Zivilisation befindet sich entwicklungszyklisch gesehen in einer Periode des Unterganges. Viele Theorien des Weltunterganges enthalten zwar sehr viele Fehlinformationen, aber auch die Teilwahrheiten. Es ist eine klare Tatsache, dass die Menschheit in einer äusserst entscheidenden Periode der Entwicklung sich befindet. Die Lage ist äusserst ernst.

Diejenigen Menschen, in deren Herz die Voraussage Steiners: "Die Kulmination der Anthroposophie muss ab Ende des 20. Jahrhunderts die Rettung der Zivilisation aus ihrem völligen Untergang vorantreiben", einen starken inneren Zusammenklang findet, wollen aktiv prüfend herausfinden, wo und wie eine solche Weiterführungsmöglichkeit des begonnenen Michael-Impulses auf der Erde zu finden wäre. Neben den Menschen, die bereits aufgegeben haben, an die konkrete und weitere Ausgestaltung des Impulses zu glauben und deshalb die Vollendung der Anthroposophie in die vergangene Weihnachtstagung 1923/24 verlegen, existieren jedoch auch die Menschen, die innerlich wach genug sind, und deshalb nicht aufgegeben haben. Diese Menschen suchen eine Zukunftsmöglichkeit und werden nicht aufgeben, bis sie sie herausfinden. Sie werden mit ihrem inneren Licht und Feuer, das sie bei Michael in der vorgeburtlichen Sphäre in sich aufgenommen und befestigt haben, eine solche Möglichkeit jedenfalls auf der Erde wieder erkennen können.




Anthroposophie ist auf der Erde da. Im gewissen begrenzten Sinne haben die Anthroposophen recht, wenn sie sagen, die Kulmination der Anthroposophie war die Weihnachtstagung - insofern, dass die Anthroposophie ausschliesslich als das Werk Steiners verstanden wird. Aber die anthroposophische Geisteswissenschaft? Ist sie wirklich schon richtig auf der Erde da? Zwar R. Steiner hat die Anthroposophie in die Welt hineingesetzt dadurch, dass er in sich selber die Spiritualität mit einem neuen modernen Geist der Wissenschaft vereint hat. Diese Hochzeit hat tatsächlich stattgefunden. Und die Resultate, die als die zahlreichen Erkenntnisse in einem einzigartigen Gedankengebäude uns zur Verfügung stehen, sind bereits da. Das nennt man vor allem "Anthroposophie".

Aber wie steht es mit der "anthroposophischen Geisteswissenschaft"? Die anthroposophische Geisteswissenschaft muss eine Wissenschaft sein, in der nach demjenigen Arbeitsprinzip, das in der Anthroposophie - in den konkreten Erkenntnisresultaten ihres Begründers - beispielhaft und vorbildlich zum Ausdruck kommt, geforscht und erkannt wird. Genau das soll "die anthroposophische Geisteswissenschaft" genannt werden. Die vielen Behauptungen und Dogmen, die in der anthroposophischen Szene gemacht wurden und werden, die an sich keinen Charakter einer Forschung aufweisen, können auf irgendeine Art mit der "Anthroposophie", aber nicht mit der "anthroposophischen Geisteswissenschaft" zu tun haben. Diese Differenzierung muss in aller Klarheit betont werden. Dieser Unterschied und das Unterscheidungsvermögen bilden erst den Ausgang der Praxis der anthroposophischen Geisteswissenschaft.



Es kann nicht sein, dass die anthroposophische Geisteswissenschaft bereits auf der Erde in einer reifen Art vorhanden wäre, die dem Namen würdig ist. Diese reale Schwierigkeit, die wir vorfinden, hat aber nichts mit der Leistung Steiners selbst zu tun. Er hat damals alles getan, was er unter damaligen irdisch-schicksalsmässigen Bedingungen leisten konnte, denn eine "Wissenschaft" - egal welche Wissenschaft es ist - kann nie alleine von einem Menschen getrieben werden. Wenn sie eine anthroposophische Geisteswissenschaft sein soll, dann muss sie eine solche werden, in der die bestimmten Ur-Forschungsprinzipien von einer Anzahl von Menschen - es muss ja zuerst nicht von der Masse sein - aber doch von einer gewissen Anzahl von Menschen gepflegt und praktiziert werden, so dass sie dadurch eine gemeinsame Basis haben als Wissenschaft.

Es muss so sein, dass durch die gemeinsame Ur-Forschungsgrundlage ein Austausch in der Forschung möglich wird, dass die gewonnenen Resultate gemeinsam in einer objektiven Art und Weise betrachtet werden können. (Das ist auch das Prinzip der Ausbildung in Biographiearbeit und Karmaforschung, die Christian und ich in der Schule Jakchos seit ein Paar Jahren gemeinsam leiten. Diese Ausbildung hat einen intensiven Forschungscharakter, der von uns beiden ausgeht. )

Diejenigen, die den Willen zu einer solchen Forschungsarbeit haben und aus diesem Willen heraus die Forschungsversuche in einem bestimmten geisteswissenschaftlichen Bereich durchführen, nennt man "anthroposophische Geisteswissenschaftler". Und die anderen sind "Anthroposophen" in unterschiedlicher Art. Und die wirkliche Kulmination der Anthroposophie, die Steiner damals für unsere Zeit voraussagte und welche damals zu seiner Lebzeit noch nicht erreicht werden konnte, entsteht nicht ohne diejenigen, die heute den Weg, der im Sinne eines grossartigen Urbildes von R. Steiner als erster anthroposophischer Geisteswissenschaftler im 20. Jahrhundert vorangeschritten ist, heute im 21. Jahrhundert eigenständig zu gehen wissen.

Dieser Impuls hat mit einer wirklichen Würdigung der bahnbrechenden und menschheitlichen Leistung R. Steiners zu tun. Dabei geht es hauptsächlich nicht darum, ob man auf dem Weg schnell vorwärts kommt oder nicht. Wenn man die Biographie Steiners studiert, kann man sehen, sogar er kam auch nicht leicht vorwärts in der konkreten Vereinigung der Spiritualität und der Wissenschaft. Es kommt aber auf den Willen an, ob man eigenständig forschend diesen Weg gehen will oder nicht.


Solange die anthroposophische Geisteswissenschaft nur einen einzigen Geisteswissenschaftler zur Verfügung hat, der eben ihr Begründer ist und schon lange tot ist, dann ist auch eine solche Wissenschaft eher tot als lebendig. Sie existiert nicht im aktuellen Sinne als eine Wissenschaft. Und das ist noch weitgehend die Realität der Anthroposophie heute. Die anthroposophische Geisteswissenschaft kann dann erst zu einer dem Namen würdigen Wissenschaft werden, wenn sie von einer gewissen Anzahl von Anthroposophen wirklich eigenständig und gemeinsam gepflegt und getrieben wird.

Diejenigen, die heute innerhalb der anthroposophischen Bewegung behaupten: "Man soll die übersinnlichen Wahrnehmungen eines (anthroposophischen) Hellsehers nicht kritisch prüfen, denn, wenn auch ein anderer Mensch selber so weit in der Spiritualisierung gekommen ist, auch eine solche Wahrnehmung selber zu haben, dann wird auch er nachvollziehen können, was jene Autoritätsperson als übersinnliche Wahrnehmung von sich behauptet. Man muss deshalb die übersinnlichen Wahrnehmungen akzeptieren, die von den Hellsehern stammen." - diejenigen, die es behaupten,
haben eine Gesinnung, die in einer solchen Aussage klar erkannt werden kann. Diese Gesinnung kann niemals eine anthroposophisch-geisteswissenschaftliche genannt werden. Sie ist eine Haltung, die nur im gewissen alten religiösen Zusammenhang berechtigt ist. Es ist das Recht von den Institutionen wie katholische Kirche, die auf eine solche alte religiöse Offenbarungsart das Verständnis der Welt darbieten wollen. Aber in der anthroposophischen Geisteswissenschaft, die aus der Anthroposophie R. Steiners hervorgehen soll, kann nicht eine solche Gesinnung zur Geltung gebracht werden. Das ist ein klarer Beweis dafür, dass eine solche Person, die das behauptet und auch ihre Anhänger, die eine solche Gesinnung verteidigen und unterstützen, - egal wieviel sie auch die Begriffe aus der Anthroposophie beziehen - bereits nicht mehr auf dem Boden der anthroposophischen Geisteswissenschaft stehen.

Diejenigen, die den Umwandlungsimpuls der Anthroposophie in sich tragen, sind die Menschen, die neben den anderen Quellen in zeitgemässer Art auch intensiv von Aristoteles inspirieren lassen wollen, der die moderne wissenschaftliche Erkenntnis-Disziplin aus den alten Mysterien heraus, die damals vor der Gefahr einer steigernden Dekadenz standen, entwickelt und befreit hat.


Teil 2 folgt



Junko Althaus

























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Junko Althaus

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