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Sonntag, 1. April 2012

Was ist heute die "Identität der Anthroposophischen Gesellschaft"?



Gestern und Vorgestern fand die Jahrestagung 2012 in Dornach mit dem Thema "Identität der Anthroposophischen Gesellschaft" statt. Ich habe daran nicht teilgenommen und kann deshalb nichts davon berichten. Allerdings habe ich mir ein Bild von der Jahrestagung gemacht durch die Gedanken zu dem Jahresthema 2012, die von Herrn Paul Mackay geschrieben wurden (in Nachrichten für Mitglieder 17. Februar 2012 -unter Einladung zur Jahrestagung 2012). Auf einer ganzen Seite wurden die leitenden Motive der Jahrestagung abgedruckt. Einige Stellen möchte ich hier zitieren.

"....Die Anthroposophische Gesellschaft selbst solle diejenige Stätte sein, durch die unmittelbar das esoterische Leben einer spirituellen Bewegung fliesst, sie selbst solle sich esoterischen Wirkens bewusst werden. ...In diesem Zusammenhang schildert Rudolf Steiner, wie allein dasjenige im esoterischen Sinn die Anthroposophische Gesellschaft begründen und halten könne, was als reale menschliche Beziehungen lebt. Alles soll auf die realen menschlichen Beziehungen im weitesten Sinne gegründet sein, auf das konkrete, nicht auf das abstrakte geistige Leben. "
(Fett durch J.A. )

"Dieser Aspekt der Gesellschaftsidentität, der das Wesen Anthroposophie betrifft, hat zu tun mit dem Werdenden im und zwischen Menschen. Ein grosses Entwicklungspotenzial wird erschlossen und erlebbar.
Dies führt zum Aspekt des Karmas der Anthroposophischen Gesellschaft. Das karmische Geschehen bekommt eine vertiefte Dimension, die Dimension der Initiative. Karma ist in diesem SInne nicht nur vorzufinden und anzunehmen, sondern vom einzelnen Menschen aus, durch seine Handlung und Haltung können neue Aspekte gesetzt werden. "





Was ist eine "Identität"? Die wahre Identität kann nur gefunden werden, wenn man mit sich selber kongruent sein lernt. Kongruent sein kann man nur dadurch, dass man zu seinem eigenen So-Sein steht, welches Schatten und Licht besitzt. Wer nur das Licht als den Bestandteil des eigenen Wesens annehmen will, bleibt in der Unwahrheit und in einem Zustand, welcher der Selbst-Kongruenz fehlt.

An den obigen Stellen aus dem Schreiben über das Jahresthema "Identität der Anthroposophischen Gesellschaft" werden "Beziehungen" und das "Karma" angesprochen, so wie bisher viele Male "soziales Miteinander" wiederholt angesprochen worden ist. Man muss dabei einen Widerspruch feststellen: Wie kann man einerseits "im esoterischen Sinne die Wichtigkeit der Beziehungen" betonen, und andererseits bis auf den heutigen Tag systematisch der Auseinandersetzung mit dem Massenaussschluss der Mitglieder und der Tatsache der Denkschrift 1935 ausweichen, als ob sie gar nicht stattgefunden hätten. Dieser Widerspruch - er kann heute im 21. Jahrhundert, wo das karmische Wirken allgemein eine andere Dimension erreichte, nicht weiter bestehen bleiben, ohne dass er eine ernsthafte Rückwirkung auf das irdische Goetheanum fällt.

Welche Art der sozialen Beziehungen ist konkret im Goetheanum gepflegt worden? Innerhalb den persönlichen und familiären Beziehungen wurden viele Posten gefördert so wie in den sonstigen weltlichen Organisationen oder Firmen. Ich bin nicht dagegen, dass man so die Personalfragen lösen will, - aber nur wenn der Vorstand und das Hochschulkollegium sich ganz von einer alten selbstgepredigten Mythos des esoterischen Charakters befreien. Der automatische Anspruch auf die esoterische Führerschaft kann sowieso nicht mit einer solchen weltlichen Art der Führung vereinbart werden. Ein esoterischer Führungsanspruch im Sinne eines automatischen geistigen Erbgutes, der nur aus dem Grund erhoben wird, weil man im irdischen Goetheanum in einer äusseren Positionen amtiert, kann heute im Zeitalter des ätherischen Christus, in dem der Christus ungebunden von Ort und Kultur überall erscheinen kann, nicht mehr standhalten. Ein solcher Führungsanspruch, der vom Dornach-Vorstand erhoben wird, ist heute im 21. Jahrhundert bereits überholt. Die individuellen Fähigkeiten sind bei ihnen in der Personalfrage nicht der entscheidende Masstab, sondern, ob jemand sich der hierarchischen Ordnung fügen kann oder nicht - so wie in den weltlichen Unternehmen völlig normal ist - ob man die Dinge auszuführen bereit ist, so wie ein bestimmter Menschenkreis sie will - das ist der Gesichtspunkt, nach dem die Beziehungen gefördert werden. Aus diesem Grunde wurden die Menschen, die fachlich begabt aber auch eigenständig sind und - im Sinne der "Philosophie der Freiheit" - nicht aus einer fremdbestimmten Reglementierung, sondern ganz aus einer inneren moralischen Intuition heraus arbeiten wollen, nicht angenommen, weil sie "zu eigenständig und schöpferisch" sind.

Diese Menschen haben in sich ein freies Gewissen gegenüber dem Zeitgeist des Christus, so dass sie keine Fremdbestimmung über ihre Handlung akzeptieren. Sie haben den Willen, nach dem paulinischen Christus-Prinzip, das in dem Buch "Philosophie der Freiheit" geschildert ist, zu leben. Die Gedanken in der Philosophie der Freiheit sind nicht nur eine abstrakte Denkschulung oder die Stoffe für eine philosophische Debatte, sondern sie sind eine praktische und lebendige Inspirationsquelle für ihre Handlung. Sie akzeptieren nicht eine solche Führungsart wie in Dornach, die dem freien Gewissen widerspricht, welches durch das Wirken des Christus immer stärker im Menschen heranwächst. Das ist der Grund, wieso Dornach und das Goethanum im Laufe der Jahrzehnten immer weniger interessant wurde, obwohl immer mehr die einzelnen Menschen ausserhalb von Dornach eigenständig interessante Forschungsziele verfolgen. Es war schon bereits gleich nach dem Tod Steiners so gewesen. Zuletzt wurden alle, die dem hierarchischen Massstab, der von Marie Steiner und Albert Steffen gesetzt wurde, sich nicht fügen wollten, von der Gesellschaft ausgeschlossen oder nicht ernst genommen.



Das Schreiben über das Jahresthema 2012 ist mit einem Menschen zu vergleichen, der sich immer wieder gute Vorsätze für die Entwicklung ausdenkt, aber nie sein wirkliches Leben anschaut und deshalb der echten Selbsterkenntnis instinktiv ausweicht. Die Praxis der Vorsätze, die "gut gemeint" sind, bleiben deshalb abstrakt, weil sie mit den wirklichen geistigen Aufgaben nicht übereinstimmen, die man aus der vorgeburtlichen Zeit für die wahre Erfüllung der Inkarnation mitgenommen hat. Die Aufgabe, die man aus der geistigen Welt mitbrachte, findet man heute im konkreten Geschehen des Lebens, denn der Christus, Herr des Karma wirkt nicht in "gut-gemeinten" intellektuellen sozialen Idealen, sondern im konkreten Geschehen des Lebens. Wenn aber das Goethanum seine konkrete Lebensgeschichte nicht anschauen will und nur immer weiter aus dem guten Willen die neuen Vorsätze sich selber stellt, kann keine Entwicklung, keine Heilung stattfinden. Was als ätherisch-karmische Belastung die Stätte Dornach überschattet, wuchs in den letzten Jahren erneut.

Ein gesundes soziales Leben, die fruchtbaren Beziehungen können nicht aus abstrakt-vernünftigen Gedanken und intellektuellen Lösungen gestaltet werden. Dennoch versucht man meistens nur so verstandesmässig das Soziale zu regeln. Aber damit kann man kaum mehr Erfolg haben in der Zukunft. Man versucht intellektuelle Ideale zur Lösung aufzustellen - z. B. dadurch, dass man die einzelnen Aussagen Steiners aus den Vortragsnachschriften herauspickt, ohne den realen Hintergrund zu berücksichtigen, in dem sie geäussert worden sind.

Das kommt auch daher, weil man nicht wahrnehmen kann und will, wie die realen Beziehungen und die Beziehungsart, während der vorgeburtlichen Zeit in der geistigen Welt vorbereitet worden sind. An diesen Beziehungen, die man selber mit den geistigen Wesenheiten gemeinsam für sich, für die anderen Menschen und für die Zeit vorbereitet hat, muss man im Erdenleben bewusst anknüpfen lernen. Das ist eine der wichtigsten Grundlagen für die fruchtbaren Beziehungen.

Wer heute "esoterisch" - dieses Wort möchte ich am liebsten nicht verwenden, weil es im Laufe der Jahren zu einem blossen und sinnlosen Schlagwort geworden ist - arbeiten möchte, braucht einen wahren michaelischen Erkenntnis-Mut, mit dem man in die Unterwelt - in die konkrete Lebensgeschichte - herabsteigen kann. Bewusst in die Unterwelt herabzusteigen heisst heute, sich mit dem Karma auseinanderzusetzten. Und in einem solchen Erkenntnismut begegnet man dem Christus, der die finstere Unterwelt mit dem Licht des Lebens beleuchten kann.

Junko Althaus

























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