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Samstag, 16. April 2011

Antisozialer Impuls der Bewusstseinsseele und die moderne Karmaerkenntnis



In der Generalversammlung der AAG gestern am 16. 4. 2011 sprach Herr Mackey in seiner Rede im Hinblick auf die Probleme und Schwierigkeiten in der Gesellschaft von den antisozialen Eigenschaften, die zunächst in der Entwicklung der Bewusstseinsseele unweigerlich entstehen. Er wies auf diese Schatten der Bewusstseinsseele in unserer Zeit überhaupt und aber auch auf die Weiterführung der Bewusstseinsseele durch den Impuls des Geistselbstes hin, das den egoistischen antisozialen Impuls heilt. Sie ist so wie er sagte und Steiner sehr betont hatte, zunächst ein natürliches Produkt der Bewusstseinsseele, ja, auch wenn viele Menschen nicht glauben möchten, dass sie antisozial sein können. Davon muss man heute im westlichen Kulturraum, in dem eben die Bewusstseinsseele auf eine aktive und intensive Weise entwickelt wird, ausgehen.

Auch ich habe neulich in meinem Leserbrief zu dem Artikel von Herrn Moreau in der Wochenschrift auf die gleiche Problematik hingewiesen und habe ihn hier im Blog veröffentlicht. Es ist zunächst wichtig, dass man heute nicht von einer optimistischen Annahme ausgeht wie: Antisozial werden wir doch nicht, denn wir sind ja anthroposophisch, wir dürfen nicht antisozial sein.

Ich erlebe in Wirklichkeit, dass gerade die Menschen, die sehr viel theoretisch von der Notwenidigkeit des Miteinander-Schaffens reden, oft gerade es kaum realisieren. Viele Menschen, die wirklich eine hohe soziale Haltung in sich tragen, reden meistens nicht viel auf eine intellektuelle Weise davon, weil sie es "tun". Sie wissen, man kann die Sozialität nicht durch irgendeinen intellektuellen und theoretischen Gedankengang hervorrufen. Was nützen die brillianten Gedanken, die zwar toll und klug im Ohr klingen, die aber gar nicht mit dem Zentrum des Herzens verbunden sind und nur die Oberfläche des Gehirns der anderen Menschen streifen? Ich höre immer wieder die Gedanken, die überhaupt nicht das Ätherische der Kopforganisation und des Herzens der Menschen berühren. Sie erreichen die ätherische Organisation des Menschen nicht, in der man die geistigen Wahrheiten erkennt. Solche Gedanken verstehe ich auch inhaltlich schlecht. Und so in einer Art, in der man das Ätherische nicht berühren kann, kann man kaum von dem Wesentlichen der Anthroposophie mitteilen. Sie können natürlich theoretisch viele anthroposophischen Begriffe in einer intellektualistischen Technik miteinander verbinden, aber sie bleiben bloss physisch-abstrakt und substanzlos. Sie berühren nicht das Herz des Menschen, deshalb lässt sich kein individueller Impuls als inneres Feuer im Menschen hervorrufen.

Und das sind die Eigenschaften, die ich deutlich wahrnehme als Schatten der Bewusstseinsseele. Und diese Tendenz ist recht stark im westlichen Kulturraum, weil die Individualisierung sehr weit vorangeschritten ist. Aber sie lebt auf eine etwas andere Weise auch in den östlichen Ländern intensiv. Das sind die unvermeidlichen Notwendigkeiten, die mit der aktiven Entwicklung der Bewusstseinsseele zusammenhängt. Wir müssen jedoch genau hinsehen, wie stark und zerstörerisch diese Schatten inzwischen geworden sind.

Der antisoziale Impuls, von dem Steiner sprach, breitete sich in der ganzen Welt aus. Der kapitalistische Wirtschaftsliberalismus, der zuletzt auch für den gegenwärtigen AKW-Unfall in Japan verantwortlich ist, hat die Menschen immer mehr in eine Sackgasse geführt, in der auf eine ganz radikale Weise nur der Gewinn und das wirtschaftliche Wachstum gezielt werden. So wurde den Menschen eine unmenschliche Denkweise aufgezwungen, die die gesunde Empfindung des Herzens und die wahre Menschlichkeit ausschaltet. Das Ergebnis davon kann man z.B. im Vorgang des AKW-Unfalls gut studieren. Es ist zu kurzsichtig für meine Empfindung, allein diese AKW-Firma und die Regierung zu beschuldigen. Ich denke, man muss weiter die Frage verfolgen: Wieso haben diese Männer die wahren Daten über die Stabilität und die Sicherheit immer wieder vertuscht? Ist nicht zuletzt der extreme Wirtschaftsliberalismus als ein unheimlicher Schatten der Bewusstseinsseele dafür sehr verantwortlich, dass diese Männer für den Gewinnabwurf, der das einzige Interesse der meisten Aktionäre ist, alle möglichen Tricks anwendeten, damit ihre Firma eben als eine "entwicklungsfähige Firma" gelten konnte? Da gilt meistens allein die knallharte Logik der Wirtschaft. In der Anwendung solcher Logik, die sich in den letzten Jahren immer mehr steigerte, ist keine Lücke für irgendeinen Herzgedanken zu finden.

Es geht jetzt zuerst darum, dass jeder in sich eine antisoziale Tendenz erkennt, von der wir real in jeder Sekunde umgeben sind. Kein Mensch ist ganz unberührt davon. Meistens erkennt man nur in einem anderen Menschen diesen Impuls und wirft ihm einseitig vor, was der andere falsch gemacht hat und wie man dadurch zu einem Opfer wurde. Aber allein damit - mit einer einseitigen Beschuldigung - kommt man nie an die wirkliche Karma-Erkenntnis heran, welche uns eine fruchtbare Selbsterkenntnis und ein konkretes soziales Verständnis verschafft.

Antisozial- das ist vielleicht ein etwas zu negativer Ausdruck für das heutige Bewusstsein. Der Mangel der sozialen Fähigkeit ist heute im Zeitalter der Bewusstseinsseele etwas ganz Normales und Alltägliches. Jemand wirkt mal unsozial, aber das bedeutet überhaupt nicht, dass er ein schlimmer Mensch ist. Z.B. die Menschen im 6. Jahrsiebt etwa ab 35 zeigen oft eine Veränderung ihres Seelenlebens in diesem Sinne, weil im 6. Jahrsiebt die Bewusstseinsseele entwickelt wird. Das ist der Grund, wieso Rudolf Steiner in unserer Zeit der Bewusstseinsseele empfahl, dass man am besten erst ungefähr ab 40 als ein eigenständiger Geisteslehrer für die breite Öffentlichkeit wirken sollte. Ich kann seinen Hinweis gut nachvollziehen, weil man bis dahin seine biographische Ich-Entwicklung im Sinne der Bewusstseinsseele noch nicht zur Abrundung gebracht hat. Die Veränderung im obigen Sinne im 6. Jahrsiebt habe ich auch bei mir selber beobachtet. Ich stelle sogar auch bei Rudolf Steiner diese Tendenz im entsprechenden Abschnitt seiner Biographie fest. Diese Prüfung gehört obligatorisch zur Entwicklung. Das ist etwas ganz Natürliches. Das heisst aber nicht, dass man es so stehen lassen soll. Der Mangel des sozialen Verständnisses erzeugt viele Schmerzen und viel Leid. Wenn es länger anhält, belastet unter Umständen uns und die anderen karmisch stark. Wir sollen heute ganz wach und aktiv an unserem gemeinsamen Schicksal der Schatten der Bewusstseinsseele arbeiten. Das heisst: sich unbefangen um eine konkrete Karma-Erkenntnis zu bemühen.

Herr Prokoffief hat gestern in seiner Rede gesagt, dass der Vorstand und auch er selber in den letzten Jahren Fehler gemacht hat. Und in so einer Aussage erlebe ich eine Haltung der Bemühung um ein konkretes Karma-Verständnis. Diese Art der Aussprache, eigene Fehler direkt zuzugeben, ist selten im westlichen Kulturraum zu beobachten. So ein Zugeben der eigenen Fehler in der Öffentlichkeit ist untypisch und gilt als Schwäche. Bei uns in Japan gilt es als Stärke. Die Fehler zugeben zu können, bedeutet die innere Grosse des Menschen in Japan. Und das bleibt bis heute meine nicht-streitbare Wahrheit. Hängt diese Aussage von Herrn Prokoffief vielleicht nicht nur mit seiner Individualität, sondern auch mit seiner östlichen Herkunft zusammen? Ich weiss es nicht.

Die innere selbstverständliche Haltung, in der man seine Fehler klar erkennen kann, kann ich hauptsächlich nur mit östlichen Eigenschaften identifizieren. Dieser Haltung bin ich hier wirklich kaum begegnet. Die Menschen im Westen kennen es nicht, dass so etwas überhaupt möglich sein kann. Ich glaube, sie können sich einfach nicht vorstellen, dass wir die Japaner bis heute diese Art der Selbstkritik in der alltäglichen menschlichen Begegnung selbstverständlich praktizieren, weil sie es im Westen nicht erlebt haben. Dies sind für mich die Qualitäten, welche die Menschen aus der sozialen Ausweglosigkeit der Schatten der Bewusstseinsseele in ein neues soziales Zeitalter der Entwicklung der höheren geistigen Wesensglieder führen können, wenn sie bewusst und ichhaft aufgegriffen werden.



Junko Althaus


teils umgeschrieben am 5. 10. 2011.














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