Weihnachten 2012 und
vor 100 Jahre
Die Erkenntnis über
das Erscheinen des Christus im Ätherischen
als Ursache für die Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft am 28. 12. 1912
Genau vor 100 Jahren
hat Rudolf Steiner sich mit seinen Schülern von der Theosophischen Bewegung distanziert, in der immer intensiver ein Personenkult um Krishnamurti
gepflegt wurde, worin dieser Knabe als Wiederkunft Christi oder des
Maitreya-Bodhisattvas propagiert wurde. Steiner vertrat gegenüber dieser
Bestrebung eine unverwechselbar klare Haltung und griff die Gelegenheit auf,
über die Bedingungen der Wiederkunft Christi ausführlich zu sprechen. Diese
Wiederkunft erfolgt nach ihm in der Art, dass der Geist des Christus an
keinen bestimmten Ort, an keinen bestimmten Menschen, an keine bestimmte
Institution gebunden erscheint. Der Christus erscheint den
Menschen in der Gestalt eines Engels. Die Begegnung mit ihm wird aus dem Grund als
etwas ganz Privates und Inniges erlebt.
Beim Mysterium von
Golgatha erschien er als ein bestimmter Erdenmenschen, als Jesus von Nazareth.
Diejenigen, die ihn damals als einen Menschen erlebt haben, konnten unmittelbar
an seinem Erdenwirken teilhaben. Alle anderen konnten dies nicht direkt
miterleben. Bei der Wiederkunft Christi geschieht eine solche feste Bindung an
einen bestimmten Erdenmenschen nicht mehr. Er braucht keinen bestimmten
Menschenkörper, um sich selber zu offenbaren. Ein besonderes Gefäss eines
Menschen für den Christus ist heute überflüssig, unnötig geworden. Der Christus
offenbart sich in seiner ätherischen Hülle überall und jederzeit. Im irdischen
Sinne ist er an nichts gebunden. Einige Bibelstellen bezeugen dies:
«Wenn dann jemand zu euch sagen wird: Siehe,
hier ist der Christus! Oder da! So sollt ihr es nicht glauben. Denn es werden
falsche Christusse und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder
tun, so daß sie, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten verführten.» Matthäus 24, 23-26
«Da er aber gefragt ward von den Pharisäern:
Wann kommt das Reich Gottes? antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes
kommt nicht mit äußerlichen Gebärden; man wird auch nicht sagen: Siehe hier!
oder: da ist es! Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch.» Lukas 17, 20-21
Die Wiederkunft
Christi im Ätherischen wird dadurch geschehen, dass das Christus-Bewusstsein in
uns geweckt wird. So wie nach der Schilderung von Lukas ist das Himmelreich
inwendig in uns. Dies ist ein Christus-Bewusstsein, das in uns auf Auferweckung wartet. Keine Zeichen oder Wunder, die an
und durch einen bestimmten Menschen gegeben werden, sind Offenbarungen des Christus.
Die Erweckung des Christus-Bewusstseins in uns, die in einer intimen und
innigen Art geschient, bewirkt die Erscheinung des Christus. Dies ist
nicht etwas, was durch den Anschluss an jemanden oder an einen Menschenkreis
erlangt werden kann.
Mit der Wiederkunft
Christi im Ätherischen ist eine „Christus-Offenbarung“, die gebunden an einem
bestimmten Menschen, an einem bestimmten Ort oder an einer bestimmten
Institution sein soll, keine Realität. Eine solche Art des geistig-spirituellen
Autoritätsanspruches in Bezug auf die Offenbarung des Christus kann heute im
Zeitalter seiner ätherischen Wiederkunft keine wirkliche Christus-Erscheinung
mehr sein. Aus diesem Grund lehnte Steiner die Behauptung von Annie Besant und
Charles W. Leadbeater ab, dass der Christus im Menschen Krishnamurti
wiedergeboren sei. Später wurde vertreten, dass in ihm der Maitreya sich
inkarnieren werde und er deshalb als der Weltenlehrer anzubeten sei. Diese
persönliche Glorifizierung widerspricht dem Prinzip des Christus-Impulses,
weil sie eine diktatorische Macht-Struktur unmittelbar unterstützt.
Die klare Erkenntnis
um den ätherischen Christus, die von Steiner errungen wurde, stand am Beginn
der Anthroposophischen Gesellschaft fest. Das war eine ausschlaggebende
Erkenntnis, die gegenüber der immer stärker aufkommenden Tendenz des
Personenkultes aufrecht erhalten wurde. Diejenigen, die sich von der
Theosophischen Gesellschaft trennten und sich an die anthroposophische Gesellschaft anschlossen, die am 28. 12. 1912 begründet wurde, waren
diejenigen, welche von dieser Bedingung der ätherischen Erscheinung des
Christus innig überzeugt waren. Sie konnten in sich das Wahrheitsgefühl über
die veränderten Umstände, unter denen der Christus uns gegenwärtig erscheint,
bestätigt finden. Diejenigen aber, welche sich durch den Personenkult um
Krischnamurti nicht stören liessen, blieben bei Annie Besant und Charles W.
Leadbeater.
Allerdings löste Krishnamurti im Jahr 1929 selber den Orden auf,
der für sein Wirken als Weltenlehrer eingerichtet wurde. Er sprach bei der
Auflösung des Ordens die Garantie für eine Wahrheitsfindung einer Institution
ab. Er sah, dass die Wahrheitsfindung nur von jedem einzelnen Menschen frei und
eigenständig errungen werden kann. Nach ihm kann keine Institution die
Wahrheiten absichern. Kein Mensch, keine Institution kann uns die Wahrheit
sichern. Die Wahrheit kann nur von uns selber gefunden werden. Damit bestätigte
Krishnamurti später indirekt die Ansichten Rudolf Steiners, mit denen dieser am
Weihnachten 1912 sich von der Theosophischen Gesellschaft definitiv
distanzierte.
In der
Anthroposophischen Gesellschaft wird nach meinem Erleben wieder mehrfach ein
Personenkult gepflegt. Die Verehrung gegenüber Rudolf Steiner oder Marie
Steiner wird in einer unfruchtbaren Art gepflegt, so dass man keine objektive
und zeitgemässe Erneuerung mehr zulässt. Statt eigenständiger Erkenntnis auf
der Basis der von Steiner gegebenen Inhalten, herrscht der Glaube an
Steiner oder Marie Steiner, auch sonstigen Autoritäten wird eine Art Heiligenstatus
zugesprochen. Mit dieser Art der Idealisierung kann nach meinem Erleben keinem von ihnen gerecht werden.
Die Formen der Struktur und der Gepflogenheiten werden äusserlich
festgehalten ohne die dahinter stehende geistige Bedeutung lebendig zu machen.
Die führenden Persönlichkeiten glauben daran, dass man sich durch den Anschluss
an einen historischen Ort der Anthroposophie und an die historische Struktur
immer noch an die geistige Führung der Anthroposophie anschliessen kann. Dies ist nach meinem Urteil aber
nicht der Fall.
Wir können kein Heil erlangen durch den bestimmten Ort, durch
die bestimmte Institution, oder durch eine bestimmte Person. Sie können nicht bestimmte feste Träger des Geistes im Zeitalter des ätherischen Christus
mehr sein. Der heilsame Impuls, der Christus-Impuls, kann heute im Prinzip an
allen Orten und in allen Menschen ohne Beschränkung jeder Zeit zur Erscheinung
treten. Es kommt auf uns selber an.
Die Person, an welcher
der Christus in einer besonderen Art sich offenbaren soll, wird aber von nicht
wenigen Mitgliedern in der Anthroposophischen Gesellschaft unterstützt. Sie
stärken die Tendenz des Personenkultes in der Anthroposophischen Gesellschaft.
Der Christus offenbart sich nicht in einem bestimmten Menschen, damit man durch
diesen Menschen zum Glauben an ihn kommt. Eine solche an eine
Person gebundene Erscheinung des Christus, die den Personenkult vorantreibt,
tritt in unserer Zeit nicht mehr ein.
Die Christus-Wirkung in einem Menschen
tritt heute so ein, dass sie auch in dem anderen Menschen genauso die Kraft des
Christus wecken will. Die lebendige Christus-Wirkung, die in einem Menschen zum Ausdruck kommt, bindet einen anderen
Menschen nicht an sich selber. Sie fördert keinen Personenkult. Die Menschen, die mit
der Christuskraft in einem Menschen heute in Berührung kommen, beginnen dadurch
auch in sich selber immer mehr die Christuskraft zu suchen, statt dass sie von Zeichen und Wundern fasziniert werden.
Die oben geschilderte Art der Christus-Erkenntnis hat Rudolf Steiner und seinen Schülern den eigentlichen
Anlass zur Begründung der Anthroposophischen Gesellschaft am 28. 12. 1912
gegeben. Das zeitgemässe Verständnis über die Offenbarungsart des Christus war
der eigentliche Grund für die Geburt der Anthroposophischen Gesellschaft vor
100 Jahren.
Die zentrale Bedeutung des zeitgemässen Christus-Verständnisses
scheint in der Gesellschaft zurück gegangen zu sein. Die kostbare
Erkenntnis um die Tatsache des ätherischen Christus, die die anthroposophische
Gesellschaft auf der Erde zur Geburt verhalf, ist heute innheralb der Gesellschaft eindeutig geschwächt. Entweder wird in einem heute lebenden Menschen, an dem das Wirken
des Christus persönlich gebunden gesehen wird, oder in der Person R. Steiners,
der heute nicht mehr als die ehemalige
Persönlichkeit stehenblieb, sondern sich als Individuum weiter schreitet, noch
immer einen absoluten Führer gesucht. Aber ein solcher Führer kann uns nicht die Aufgabe abnehmen, den Christus-Impuls in uns selber zu erwecken.
Ich habe mich entschlossen, mich von der Anthroposophischen Gesellschaft zu trennen, weil ich sie nicht mehr als eine Institution ansehen kann, die den Impuls des ätherischen Christus in einer besonderen Art vertritt, so wie sie es vor 100 Jahren bei ihrer Geburt wollte. Die Trennung bedeutet aber nicht, dass ich damit die Mitglieder ablehne, die aus einer guten Überzeugung darin bis heute tätig bleiben und weiter bleiben wollen.
Junko Althaus
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