Die Fortsetzung von Teil 3
Es war
mir ein wichtiges Anliegen, ausführlich über die Schwierigkeit in der
Annahme der nicht nachprüfbaren Informationen in der Schrift "Die Bodhisattvafrage" oder auch in den andren Schriften von Thomas Meyer zu sprechen, bevor ich nun auf das Thema "Durch wen sprach der
Maitreya-Bodhisattva im 20. Jahrhundert? " näher eingehe. Denn für mich ist fruchtbare Forschung auf der Basis einer undurchsichtigen Informationsgrundlage nicht möglich. Ich wollte deshalb zuerst die Informationen für den
Ausgangspunkt sortieren, um die Hindernisse für die Forschung wegzuräumen.
Die These von Vreede – Ist Steiners Strömung ganz verschieden von der des Maitreya-Boddhisattva?
Nun
möchte ich in diesem Teil 4 auf die These von Elisabeth Vreede eingehen, welche
in ihren von Thomas Meyer abgedruckten Vorträgen im Buch "Die Bodhisattvafrage" zum Ausdruck kommt.
Vreede verwendete für ihre Gedankenführung keine unsichere Quelle für eine definitive Urteilsbildung. Allerdings liegt das Wesentliche ihrer These
eindeutig in der Überzeugung, dass die Maitreya-Bodhisattva-Strömung eine gänzlich von der Strömung Steiners verschiedene sei. Mir scheint der zweite Vortrag (11. 07. 1930) wichtig zu sein, um
diese von ihr vertretene These genauer kennenzulernen. Vreede sprach es so aus:
«Ich habe ja schon gesagt, wie man
bei Rudolf Steiner durch alle die Jahre hindurch den Eindruck haben konnte, dass
er zu einer ganz anderen Strömung gehörte wie der mit dem orientarischen
Geistesleben verwandten Strömung der Bodhisattvas, trotzdem er zu allen
Geistesströmungen Beziehungen hatte.»
«Ich glaube, man könnte doch ein
Gefühl entwickeln, wie verschieden die Bodhisattva-Strömung ist von der
unsrigen. »
In den
obigen Zitaten kann man ihren Standpunkt gut ablesen. Eines fiel mir schnell auf:
Vreede charakterisierte bei der Urteilsbildung kaum die innere Qualität der
Maitreya-Wesenheit, wie sie von Steiner ausgeführt wurde. Sie zählt einzig die Leistungen
Steiners nacheinander auf und stellt im Anschluss daran ihr Urteil hin, dass sie darin
keine Verbindung zur Strömung des Maitreya-Bodhisattva sehe. Dagegen nahm
Arenson sich in seinen Vorträgen Zeit, um die hervorstechenden Gesichtspunkte im Charakters des Maitreya-Bodhisattva, wie er sie in den Vorträgen Rudolf Steiners wahrnahm, zu schildern. Erst anhand der Übreinstimmung der
Qualitäten kommt er zum Urteil, dass durch Steiner selber der Maitreya-Bodhisattva im 20.
Jahrhundert gewirkt habe, um den Christus im Ätherischen voraus zu verkünden.
Vreede schilderte,
dass die Strömung Steiners nach ihrer Empfindung zur Strömung des vergangenen
Buddha – Gautama Buddha – gehört, der im Sinne Michaels innig mit
Christian Rosenkreuz zusammenarbeitet. Und sie ist überzeugt, dass die Geistesart Steiners nicht zur Strömung des
Zukunftsbuddha, des Maitreya-Bodhisattva, gehört. Diese Stelle wird zitiert:
«Wenn man nun einerseits den
Zusammenhang von Michael mit unserer Bewegung bedenkt, andererseits die
Tatsache, dass der Buddha selber durch Christian Rosenkreuz seine Mission auf
dem Mars zuerteilt bekam und auch mit der Strömung des Christian Rosenkreuz ist
unsere Bewegung ja eng verbunden –, dann kann man sich doch nicht das Gefühl
verschiessen, dass hier, am Ausgangspunkt gleichsam unserer eigenen
selbstständigen Gesellschaft uns gezeigt werden sollte, dass
die vorhergehende Bodhisattva-Linie in Verbindung steht mit unserer
eigenen Strömung, dass sie durch die Wesenheit des Christian Rosenkreuz und des
Michael hineinmündet in unsere – das ist: in Rudolf Steiners Bewegung.»
Ihr
gedanklicher Aufbau zum Urteil im obigen Vortrag scheint mir nicht genügend zu sein. Die Begründung kommt mir vage und verschwommen vor. Allerdings
werden von Elisabeth Vreede die wesentlichen Charakterzüge Steiners als diejenige Punkte aufgezählt, die nach ihr auf die Verschiedenheit Steiners vom
Maitreya-Boddhisattva hinweisen sollen. Es ist nun höchst interessant, dass gerade
diese von ihr hevorgehobenen Gesichtspunkte für die spezielle Eigenschaft Steiners exakt mit der
Charakterisierung des Maitreya-Boddhisattva, wie sie von Steiner selber gegeben wurden, übereinstimmen. Die Punkte, mit
denen Vreede die Entfernung Steiners vom Boddhisattva beweisen wollte, üben
auf mich gerade eine entgegengesetzte Wirkung aus. Vreede gibt an,
dass die Weihnachtstagung oder die Mysteriendramen, die Fortsetzung eines übersinnlichen Kultus sein sollen. Anschliessend kommt sie auf ein wichtiges Prinzip für das Wirken Steiners zu sprechen:
«Ganz besonders ergreifend kommt mir immer der
Moment vor, wo Rudolf Steiner in Arnheim in einem Mitgliedervortrag davon
sprach, dass Michael denjenigen Menschenseelen, die in der übersinnlichen
Schule seine Impulse aufnahmen, die zur Anthroposphie geführt haben, die
Mahnung gegeben hat, bei ihrer Verkörperung hier auf Erden möglichst nur durch
das Wort zu wirken, nicht in erster Linie durch die Schrift, durch den
gedruckten Buchstaben. Wer hat diesen Auftrag so erfüllt wie Rudolf Steiner,
der Schöpfer der Anthroposophie! Nicht hat er selbstverständlich gemeint, dass
bei uns gar nichts geschrieben oder gedruckt werden sollte, denn dann könnten
wir nicht eine wirklich zeitgemässe Bewegung sein, aber auf die Art seines
eigenen Wirkens durch die Vorträge, durch die zahllosen Einzelgespräche hat er
doch mit diesen Worten hingewiesen. – Man möchte bei alle dem fragen. Wo kommt
da der Boddhisattva hinein? Ich glaube, man könnte doch ein Gefühl dafür
entwicklen, wie verschieden die Bodhisattva-Strömung ist von der unsrigen. »
Im obigen
Zitat wird von Vreede als wesentlicher Charakterzug für das Wirken Steiners die Übermittlung der Inhalte durch das lebendige Wort
genannt. Vreede sah im Praktizieren dieser Disziplin,
durch das lebendiges Wort, das von Mensch zu Mensch strömt, um in lebendiger Unmittelbarkeit den
geistigen Gehalt zu vermitteln, einen ganz wesentlichen Charakterzug Steiners.
Dem Leser, der die Charakterisierung des Maitreya-Boddhisattva Steiners aus seinen Vorträgen gut kennt, fällt nun aber auf, dass gerade der von Vreede genannte Wesenszug ein wesentliches Charakter-Merkmal des
Maitreya-Bodhisattva ist.
Steiner wiederholte in zahlreichen Vorträgen,
dass der Maitreya-Bodhisattva durch das Wort wirkt. Durch das Wort bringt er
das Gute und leistet die entscheidende Hilfe zum Verständnis des Christus. Das eigentliche Werkzeug für das Wirken des Maitreya-Boddhisattva ist das
lebendige Wort, das von ihm gesprochen wird. Steiner sagt, dass der
Maitreya-Boddhisattva diese Mission, durch das Wort das Gute zu bringen, erst
in der fernen Zukunft als Buddha vollenden kann. Das physische Werkzeug – der
entsprechend vergeistigte Kehlkopf – mit dem der Boddhisattva seine Mission vollenden
kann, hat die heutige Menschheit noch nicht zur Verfügung.
«Der Bodhisattva, der einst als Jeshu ben Pandira lebte, kommt
immer wieder in menschlichen Leibe auf unsere Erde herab und wird auch
fernerhin immer wiederkommen, um seine übrige Aufgabe, seine besondere Mission
zu erfüllen, die heute noch nicht ausführbar ist. Wenn sie in ihrer Vollendung
auch schon hellseherisch vorausgesehen werden kann, so kann doch noch kein
Kehlkopf die Laute jener Sprache hervorbringen, die gesprochen werden wird,
wenn dieser Bodhisattva zum Buddha aufsteigt. » (GA 130, 18.11. 1911)
Niemand
hat so zahlreiche Vorträge gehalten, um die geistigen Inhalte in lebendiger Sprache den Menschen weiter zu geben, wie Rudolf Steiner. Sein Werk hat er durch
die lebendige Sprache geschaffen. Seine Fähigkeit liegt darin, dass er eine aussergewöhnlich schöpferische Fähigkeit besass, die geistige Wahrnehmung in exakter Logik zu verarbeiten, um sie zuletzt in eine reine Begrifflichkeit zu transformieren, sodass sie jedermann logisch-gedanklich nachvollziehen kann. Dieses Nachvollziehen ermöglicht uns auch die tiefe Gemütsbewegung und die Entfaltung der eigenen Impulse. Durch die unmittelbare Vermittlung durch die
Sprache erreichte er die Seele vieler Menschen.
Die besondere Beziehung
Steiners zum Logos und zu den Logosmysterien ist inzwischen auch an einer
früheren Inkarnation von ihm, als Kratylos in den ephesischen Mysterien, bekannt
geworden. Die spezifische Leistung und die Einzigartigkeit Rudolf Steierns stimmen gerade überein mit der speziellen Aufgabe des Maitreya-Bodhisattva, der an der Vergeistigung
der Sprachfähigkeit durch die Umwandlung des Kehlkopfes arbeitet, um dies in
3000 Jahren als seine ganz besondere Mission zu vollenden. Auch wenn der Maitreya-Bodhisattva heute noch weit entfernt von der vollkommenen Stufe steht, die er später als Buddha
erreichen kann, muss man dennoch an ihm bereits die ausserordentliche Fähigkeit
im Wirken durch das Wort wahrnehmen und beobachten. Diese Einzigartigkeit trifft auf das Wirken Rudolf Steiners zu.
Das Missverständnis Vreedes in der
Bodhisattvafrage – durch ein Vorurteil
Die bereits
zitierte Stelle aus dem erwähnten Vortrag Vreedes möchte ich näher betrachten:
«Ich habe ja schon gesagt, wie man
bei Rudolf Steiner durch alle die Jahre hindurch den Eindruck haben konnte, dass
er zu einer ganz anderen Strömung gehörte wie der mit dem orientalischen
Geistesleben verwandten Strömung der Bodhisattvas, trotzdem er zu allen
Geistesströmungen Beziehungen hatte.»
Sie bezeichnet die Strömung des Maitreya-Bodhisattva
als eine «mit dem orientalischen Geistesleben verwandten
Strömung der Bodhisattvas». Diese Stelle scheint mir zu bezeugen, dass Vreede von
einem typischen Vorurteil der europäischen Menschen nicht frei war. Sie spricht, dass
die Strömung der Boddhisattvas (Mehrzahl), nicht mit der Strömung Steiners
übereinstimmen kann, weil sie östlich ist. Sie sagt aber nicht, was sie
darunter genau versteht. Mir scheint, dass Vreede damit sagen will: „Die
Bodhisattvas stehen in der Tradition des Ostens, können deshalb nicht mit der
westlich-europäischen Strömung Steiners übereinstimmen.“ Eine ähnliche
Begründung habe ich oft von den europäischen Menschen gehört z.B.: „Die
Strömung Steiners ist die westlich-europäische, sie ist die rosenkreuzerische. Sie hat nicht mit der östlichen Strömung zu tun, die mit dem
Maitreya-Bodhisattva zu tun hat.“ Dies ist ein Vorurteil, der in vielen
westlich-europäischen Anthroposophen lebt. Wir schauen näher, was Rudolf
Steiner über die Strömung des Maitreya-Boddhisattva sagte.
«In unserer Menschheitsentwicklung wirken zwei Strömungen. Die
eine ist die Weisheits- oder Buddha-Strömung, die höchste Lehre von Weisheit,
Herzensgüte und Erdenfrieden. Dass diese Buddha-Lehre in alle Herzen wirksam
einziehen könne, dazu ist der Christus-Impuls unerlässlich. Die zweite ist
die Christus-Strömung, welche hinaufführen wird die Menschheit von dem
Intellektualismus über den Ästhezismus zur Moralität. Und der grösste Lehrer
des Christus-Impulses wird immerzu sein der Nachfolger des Buddha, jener
Boddhisattva, der sich immer wieder inkarniert und der zum Maitreya-Buddha wird
nach dreitausend Jahren. » (GA 130, 21. 09. 1911, aus dem Vortrag Buddha und Christus,
Die Spähre der Boddhisattva)
Aus obigen Zitat
geht hervor, dass die geistige Strömung des Maitreya-Bodhisattva gerade die
christliche Strömung ist. Vreede schien die Vorstellung nicht überwunden zu
haben, dass die Boddhisattvas nur für den Osten arbeiten würden. Deshalb kam sie auch
zu dem bereits zitierten Urteil. Der Maitreya-Bodhisattva leitet aber die
Christus-Strömung, in der zuerst vor allem im Westen und in den europäischen
Kulturen intensiv die intellektuelle Kultur entwickelt wurde, die aber nach und
nach zur allgemeinen Fähigkeit der Menschheit wurde. Die geistige Strömung
dieses Zukunftsbuddha ist der Weg, der die Menschheit vom Denken zur Entfaltung
des Gemüts (Ästhezismus) und
zur Verwirklichung der Moral führt. Wenn man die zahlreichen
Charakterisierungen Steiners über den Maitreya-Bodhisattva folgt, begegnet man
der mit dem obigen Inhalt verwandten Darstellung. Diese Strömung, die vom
Denken ausgeht, ist auch der Weg, der von Rudolf Steiner entwickelt und
vertreten wurde.
Nicht
wenige Menschen haben ein ähnliches Vorurteil wie Vreede, sodass der
Maitreya-Boddhisattva eine typisch östliche Figur ist, die mit der westlichen
Kultur kaum etwas zu tun hat. Aber der gegenwärtige Bodhisattva ist nach
Steiners Darstellung gerade derjenige, der in der Kultur des Denkens verwurzelt
ist. Er ist kein Wesen, das ausschliesslich den östlichen Charakter sich verkörpert. Er ist der grösste Lehrer für das Christus-Verständnis und arbeitet an der schöpferischen Vereinigung zwischen Ost und West – vom modernen Denken ausgehend. Nach Steiner ist der Maitreya-Bodhisattva ein Wesen, das daran arbeitet,
das moderne klare Denken mit der tiefen Innerlichkeit zu verbinden, sodass die
Vereinigung des Denkens mit der innigsten Moral verwirklicht werden kann. Der Maitreya-Boddhisattva arbeitet daran, dass die hohe Moralität (Osten) und die klare Intelligenz (Westen) harmonisch vereint werden. Vreede behauptete, dass kein Einfluss des Meitreya-Bodhisattva in der Schrift der Philosophie der Freiheit zu finden sei. Aber der obige Charakter des Maitreya-Bodhisattva, der z.B. in GA 130 ausgeführt wird, erinnert unmittelbar an "die moralische Intuition" in der "Philosophie der Freiheit".
Das Vorurteil, das aus der Oberfläche des Kulturunterschieds stammt, verhindert
ein geistiges Verständnis der Tatsache um den Maitreya-Bodhisattva. In der geistigen Welt arbeiten alle
Religionen und Weltanschauungen im verbindenden Geist der
Menschheit des Christus zusammen. Auch der Maitreya-Boddhisttava arbeitet heute intensiv an diesem Ziel.
In der Forschung an diesem Thema nahm ich die Schrift von Heinz Eckhoff "Rudolf Steiners Aufgabe unter den Grossen Eingeweihten. Gedanken zur Bodhisattva-Frage" (1997, J. Ch. Mellinger Verlag) als eine Orientierungshilfe neben der Gesamtausgabe. Man sieht, dass der Verfasser sich vielseitig mit dem Thema auseinandergesetzt hat. In der Schrift sind die interessanten und inspirierenden Anregungen und auch die wichtigen Zitaten von Steiner für dieses Thema zu finden.
Teil 5 folgt
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