Montag, 25. April 2011

Ein Weg zum Christus im Ätherischen - die Anschauung des eigenen Lebens



Die vielen Berichte über die Nahtoderfahrung bezeugen uns eine ganz neuartige Art der individuellen Schulung, auf die Rudolf Steiner bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hinwies. Während die Menschen sich für eine gewisse Zeit jenseits befanden, bekamen sie keine strenge moralische Anweisung im alten Sinne der Religionen, sondern sie schauten auf ihr eigenes Leben zurück. Sie hatten die Rückschau ihres Erdenlebens und dabei empfanden sie auf eine ganz intensive Art und Weise die Gedanken und die Gefühle. Die Innenwelt der anderen Menschen wurde plötzlich transparent so wie die eigene. Das hatte eine enorme Wirkung als eine unmittelbar moralische Lektion. Etwas Vergleichbares kann man sich kaum vorstellen. Das alles aber fand bei meisten Menschen in einer liebevollen und geborgenen Atmosphäre statt, die vom Lichtwesen ausging.

Der alte Schulungsweg ist der, auf dem man die theoretischen Gesichtspunkte lernt, wodurch man sich zu veredeln versucht. Dieser Weg ist der, der die meisten Religionen uns vorschreiben als moralische Gesetzte und Vorschriften. Diese Dinge zunächst theoretisch aufzunehmen als Vorstellungen und sich danach zu formen, ist im gewissen Sinne die erste und alte Art der Schulung. In der anthroposophischen Schulung ist es auch so. Man liesst viel die Inhalte und lernt die theoretischen Gesichtspunkte kennen, die die Entwicklung fördern sollen. Man praktiziert die Meditationen oder die Nebenübungen, die bereits vorhanden sind, beschäftigt sich mit dem Klassentext, u.s.w. Man bekommt den Rahmen von aussen, die einen allgemeinen Charakter haben. Sie haben noch heute eine Bedeutung.

Aber in der neuen Art der Entwicklung geschieht etwas anderes. Bereits im letzten Jahrhundert begann ein neuartiger Schulungsweg, der von Rudolf Steiner als ein ganz zentrales Anliegen der Anthroposophie immer wieder betont wurde: das Hineinwirken des ätherischen Christus in den individuellen Lebensgang des Menschen. Der Christus im Ätherischen leistet in dieser neuen Schulung jedem einen individuellen Beistand, so dass wir unmittelbar durch das Erleben und die Anschauung des eigenen Lebens zu einer für uns von der geistigen Welt genau massgeschnittenen Lebensweisheit geführt werden. Die vielen Berichte über den Nahtod bezeugen die Realität dieser neuartigen Schulung durch den ätherischen Christus. Jeder hat seine individuelle Lektion während des Todes von dem Lichtwesen erhalten. Und dabei brauchte keiner von Ihnen irgendein Weisheitsbuch. Die intensive Anschauung der eigenen Biographie konnte in ihnen die lebendige Fähigkeit für die Brüderlichkeit erwecken, die sie dann nach ihrem Jenseits-Erlebnis beibehalten können. Diese neue Art der Schulung ist zwar noch am Anfang ihrer Entfaltung, ist aber bereits ganz real vorhanden und kann von uns jederzeit gegangen werden.


Vor mehr als 20 Jahren lernte ich die Anthroposophie in Japan durch ein Buch kennen, in dem die Menschheitsentwicklung und die Nebenübungen skizziert wurden. Ich versuchte damals schon zweimal einen Anlauf zu machen, das Buch zu lesen und konnte es aber nicht gut genug verstehen. Ich war eines Tages erkältet und hatte hohes Fieber. Ich wachte plötzlich auf und dachte: Jetzt muss ich das Buch lesen. Ich nahm das Buch in die Hand, begann darin zu lesen. Erstaunlicherweise konnte ich diesmal genau dem Inhalt über die nachatlantische Kulturentwicklung der Menschheit folgen. Die Schilderungen in dem Buch verdichteten sich plötzlich zu realen Bildern, die lebendig wurden. Sie stiegen von den Seiten auf und umgaben mich als geistige Substanz. Ich hatte das Gefühl, dass ich diese Dinge früher schon kannte. Es kam mir sehr vertraut vor und ich fühlte mich endlich zu Hause angekommen zu sein. Und diese reale Stimmung, die sie mich umgab, wurde immer intensiver, so dass meine Wesensglieder ab dem Ätherleib sich vom physischen Leib gelockert haben. Ich hatte zwar einen solchen Zustand als Kind schon, aber als Erwachsener lange nicht mehr erlebt.

Ich sah wie Schnappschüsse Szenen aus meinem Leben, die ich mit meinen Mitmenschen erlebte. Ich war stark erschüttert, weil ich die Innenwelt der anderen Menschen wie meine eigene deutlich stark und intensiv erlebte. Die Gedanken und die Gefühle, die ich erlebte, waren ungeheuer intensiv. Ich dachte, das nennt man wirklich real. Die Gedanken und Gefühle, die ich vorher im Leben kannte, kamen mir im Vergleich dazu schwach und schattenhaft vor. Durch dieses Erleben wurde in mir ein intensiver Wunsch erweckt: Ich möchte meine Einseitigkeit, die ich versehentlich verursacht habe, rückgängig machen. In einer Intensität fragte ich mich, wie ich es erreichen kann? Ich hörte eine Stimme, die mir sagte: Alles, was geschehen ist, kannst du nicht unmittelbar verändern, aber wenn du dich veränderst, dann kann die entstandene Einseitigkeit einer realen Entwicklung dienen und kann ihren Sinn erfüllen. Als ich es hörte, fühlte ich mich erlöst und war von einem glücklichen Licht erfüllt. Manche Menschen, die es hören, oder die Schilderungen von Steiner über das Kamaloka lesen, sagen, dass es ihnen Angst macht, das zu erleben. In Wirklichkeit ist überhaupt nichts Schreckliches daran, sondern es war ein wunderbares Erlebnis, so wie die meisten Menschen sagen, die einen Nahtod erlebt haben.

Dieses Erlebnis stand ganz am Anfang meiner Beschäftigung mit der Anthroposophie. Es ist mit einer geistigen Taufe vergleichbar, die in den alten Zeiten real durchgeführt wurde, um eine Verbindung zur geistigen Welt herzustellen. Durch eine Taufe fand im Menschen die Sinneswandlung statt, so wie Johannes der Täufer sagte: Ändert euren Sinn. Durch dieses Erlebnis wurde ich anders und fühlte mich auch anders. Aus der jetzigen Sicht kann ich sagen, dass ein gewisses Selbständigwerden des Ätherleibes vom physischen Leib erzeugt wurde. Rudolf Steiner spricht von diesem menschheitlichen Erreignis im Zusammenhang mit der Wiederkunft des Christus im Ätherischen. Der menschliche Ätherleib entwickelt eine immer grössere Selbständigkeit gegenüber dem physischen Leib, so dass dadurch der Mensch in die Welt, die über die physische liegt, immer bewusster hineinleben kann. Ich bekam nach diesem Erlebnis eine deutliche Sensibilisierung gegenüber dem Ätherisch-Astralischen. Die Welt war für mich plötzlich keine tote Welt mehr. Ich merkte, dass ich den anthroposophischen Gedanken gut folgen kann, was vor dieser Lockerung nicht auf gleiche Weise möglich war. Für mich war die Anthroposophie von Anfang an nicht etwas, was man nur im Kopf aufnimmt, sondern ein unmittelbares und reales Erlebnis.


Dieses Erleben des Mini-Kamalokas brachte mich später auf eine ganz natürliche Weise zur intensiven Beschäftigung mit der Biographiearbeit und der Karmaforschung. Die Anschauung des eigenen Lebens ist der moderne Weg zum Christus. Der Christus wartet auf uns, dass wir ihn heute auf diese Weise finden.


Junko Althaus












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