Die Anthroposophie kann in einer intensiven Weise eine Liebe zum Geist im Menschen erwecken, nach dem der Mensch innerlich einen existenziellen Sehnsucht spürt. Die kosmischen Dimensionen des Menschen, die Rudolf Steiner beschreibt, erinnern uns - bewusst oder unbewusst - an die eigentliche Existenz des Menschseins im kosmischen Zusammenhang. Durch diese Qualität konnte die Anthroposophie seit ihrer Entstehung stets eine Stätte in der Welt sein, in welcher der Mensch seine Bedürfnisse, mit den geistigen Weisheiten in einer lebendigen Form, welche dem gegenwärtigen Bewusstsein entspricht, auseinanderzusetzen, befriedigen kann.
Aber reicht diese Liebe zu dem Geist, ja die Liebe zu den geistigen Weisheiten, zu dem Wissen über die geistigen Dimension des Menschen, - auch wenn sie so großartig ist -, wirklich aus, um die Qualitäten und die Eigenschaften, die der Christus uns heute senden will, in der menschlichen Seele kraftvoll aufzufangen?
Nach meiner Erkenntnis reicht allein die oben genannte Art der Liebe zum Geist nicht aus, um vor dem ätherischen Strom des Christus, von dem Rudolf Steiner spricht, der im Menschen vom Herz zum Kopf hinaufströmt, sich bewusst zu öffnen.
Nach Steiner trifft der ätherische Strom des Christus – ein kontinuierlicher Kanal der Ätherisation seines Blutes, das sich bei seinem Erdentod mit der Erde verband - mit dem Strom des Menschen im Herz. Allerdings wird dabei noch etwas Anderes wichtig, um die wunderbaren Eigenschaften, die von diesem Strom des Christus in uns herein wollen, uns immer bewusster und intensiver empfangen zu lernen.
Es ist eine Empfindsamkeit gegenüber der wahren Qualität der seelischen Gefühle. Der Mensch braucht eine gewisse Empfangs- und Ausgabe-Fähigkeit der echten menschlichen - sowohl dunkel-negativen und als auch hell-positiven - Gefühle und Empfindungen in seiner Seele.
Nach meiner Erkenntnis wird der Mensch besonders empfänglich gegenüber dem ätherischen Strom des Christus, wenn er seine persönlichen und menschlichen Gefühle und Empfindungen ohne sie zu verschönern, so wie sie wirklich sind, wahrnehmen und verstehen lernt. Das ist heute nicht leicht, weil wir in einer Gesellschaft leben, welche uns verpflichtet, nach den Normen der abstrakten Vollkommenheit uns lügenhaft zu dressieren und dafür die wahren Gefühle und Empfindungen zu ignorieren.
In der geistigen Liebe lebt der Mensch in einer Bestrebung zur Vergeistigung, sich zum Sternenhimmel zu erheben, wo die hohen und machtvollen geistigen Wesenheiten zu Hause sind. Aber die Seelenliebe hat eine ganz andere moralische Qualität als eine geistige Liebe. In der Seelenliebe kann der Mensch ein Stück auf die intensive Bestrebung zur Vergeistigung seines eigenes Wesens verzichten dadurch, dass er gegenüber allen Lebewesen der Erde und den Mitbrüdern der Erdenentwicklung, welche bis jetzt weniger eigenständig als er selber an der Vergeistigung des eigenen Daseins arbeiten konnten und dadurch in einem Leid und in einem tragischen Schicksal verharren mussten, ein intensives und tiefes Mitgefühl empfinden. Paulus hörte das Seufzen der Kreatur, die auf ihre Erlösung durch die Menschen wartet und schilderte davon in seinem Römerbrief.
Römerbrief nach Paulus Kapitel 8
Denn ich halte es dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert sei, die an uns soll offenbart werden.Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes. Sintemal die Kreatur unterworfen ist der Eitelkeit ohne ihren Willen, sondern um deswillen, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung. Denn auch die Kreatur wird frei werden vom Dienst des vergänglichen Wesens zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, daß alle Kreatur sehnt sich mit uns und ängstet sich noch immerdar.
Der Mensch kann sich in so einer gesteigerten Empathie wie bei Paulus als ein Teil der grossen Erdenschicksalsgemeinschaft empfinden und eine Liebe zu allen Wesen zu empfinden beginnen. Der Ätherstrom des Christus ermöglicht uns z.B. so eine Liebe, die unsere Herzintelligenz erhöht.
Eine solche Seelenliebe des Christus ist für mich auch die, in welcher der Mensch nach und nach im manichäischen Sinne auch die Widersacher als ein Teil der Evolution und unsere Mitbürger der Schicksalsgemeinschaft betrachten und ihre Rolle und das Schicksal würdigen kann. Der Mensch beginnt, sich in einer intensiven Empathie in ihr tragisches Schicksal, von dem sie sich selber nicht befreien können, einzufühlen. Die Widersacher werden in einer manichäischen Seelenliebe nicht mehr die Wesen bleiben, welche der Mensch bloß verabscheuen muss, denn der Christus hat bereits in seiner zweiten Kreuzigung die Schatten der Widersacher in sich aufgenommen. Die schattenhaften Wesen gehören auch zu unser grossen kosmischen Evolution und sie stellen uns nicht nur die Hindernisse in den Weg, sondern helfen uns dadurch zuletzt unsere Entwicklung im Sinne der Freiheit.
Weil sie diese Rolle, sich zurück zu bleiben, annahmen und dadurch wir selber nicht als zurückgebliebene Wesen fungieren mussten, konnten wir bis jetzt unsere Entwicklung auf die Weise fortsetzen. Nebendem wir uns im normalen Sinne weiter entwickeln konnten, konnten die Schattenwesen nicht weiter kommen. In unserem Zeitalter beginnt eine neue Liebe, in der wir die Widersacher als unsere - zwar etwas andersartige aber doch - Mitbrüder würdigen und dadurch ihnen aktiv helfen, sich zu verwandeln.
Die Umwandlung der Widersacher und ihrer Wirkungen sind durch das Anklagen oder das Verurteilen nicht möglich. Sie werden nur durch eine kraftvolle Liebe der menschlichen Seele zur Wandlung gebracht. Die Widersacher oder die Elementarwesen, die unsere Entwicklung verhindernden Kräfte entgegenbringen, benötigen auch genauso wie wir selber Würdigung. Der Mensch kann in so einer Haltung der Seele sich in sie und in ihr spezielles Schicksal einfühlen lernen. Jeder wahrer Pädagoge weiss, dass ein Kind, das Probleme macht, durch eine moralische Einschüchterung oder eine lieblose Zurückweisung keinesfalls zur Verbesserung bringen kann.
Es gibt kein Wesen im Kosmos, das keine Liebe und keine Würdigung benötigt...
Junko Althaus
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